Tragen Foren wirklich zur Leserbindung bei?
Internet-Foren sind mittlerweile ein fester Bestandteil der meisten Nachrichten-Sites. Oberstes Ziel der Foren ist in vielen Fällen ein wesentlicher Beitrag zur Leserbindung.
Wird dieses Ziel erreicht?
Schaut man auf die Aktivität solcher Foren, so muss dieses in vielen Fällen bezweifelt werden. Auf vielen der Foren hat ein wesentlicher Teil der registrierten Nutzer nie auch nur einen Beitrag verfasst (bis zu 62% in meiner Analyse). Und auch die sonstigen Nutzer sind nicht viel aktiver.
Prinzipiell können die Leser auf zwei Weisen gebunden werden: entweder sie beteiligen sich aktiv als Schreiber an der Diskussion und/oder sie lesen die Beiträge anderer.
Zumindest die Bindung der aktiven Schreiber kann dankenswerterweise anhand der Mitgliederlisten mancher Tools (insb. vBulletin) sehr gut auch von Außenstehenden erkannt werden. Und die Analyse dieser Listen lässt stark bezweifeln, dass die Internet-Foren derzeit Leser durch aktive Einbeziehung binden.
So sind sowohl die Zahlen der registrierten Nutzer relativ gering, als auch die Anzahl der durch diese Nutzer verfassten Artikel. Nur ein verschwindend geringer Anteil der Nutzer verfasst tatsächlich regelmäßig Artikel und kann somit als "an die Site gebunden" betrachtet werden. Berücksichtigt man dann noch, dass einige dieser Nutzer auch ohne das Angebot des Forums regelmäßig auf die Site kommen würden, so muss der Anteil der aktiven Nutzer, die durch das Forum gebunden werden, als sehr gering angesehen werden.
Ein Beispiel: Die Site nordclick.de (Kieler Nachrichten, shz, Lübecker Nachrichten u.a.) verzeichnet über 700.000 Visits pro Monat. Seit dem Start des Forums im Februar 2005 haben sich nur rund 210 Nutzer registriert. Knapp die Hälfte davon hat bis dato keinen Artikel verfasst, ca. 22% haben nur einen oder zwei Artikel verfasst und insgesamt 83% haben in den ca. 15 Monaten des Bestehens des Forums zehn oder weniger Artikel verfasst.
Leserbindung durch Forum? Anscheinend Fehlanzeige - zumindest, wenn man nur die aktiven User betrachtet.
Das im Beispiel nordclick.de dargestellte Aktivitätsmuster wiederholt sich im Wesentlichen auch auf anderen untersuchten Sites. Während die Zahl der Nutzer mit 0 Beiträgen stark (auf hohem Niveau) schwankt, ist erstaunlich, dass auf praktisch allen Sites die Zahl der Nutzer mit maximal 2 Beiträgen ca. 70% beträgt. Nur geringe Anteile der registrierten Nutzer haben Artikelzahlen von über 10, und darunter sind viele Admins und Moderatoren...
Nicht verschwiegen werden soll hingegen, dass ich ein recht schönes Gegenbeispiel gefunden haben: die stark lokal ausgerichtete Seite Oberberg Aktuell (www.oberberg-aktuell.de) hat zwar ziemlich niedrige absolute Nutzerzahlen, schafft es jedoch, die registrierten Nutzer zu relativ vielen Beiträgen zu bewegen. Nur ca. 16% der registrierten Nutzer haben bislang noch keinen Beitrag geschrieben.
Liegt das an der anscheinend sehr aktiven Forums-Moderation durch (Gast-)Moderatoren? Oder prinzipiell an dem sehr lokalen Bezug und einem daher relativ starken Bezug zu den diskutierten Themen?
Definiert man "Gebundenen Nutzer" als jemanden, der im Schnitt einen Artikel pro Monat verfasst, so ergibt sich ein ernüchterndes Bild: nur rund 10% - 15% der registrierten Nutzer haben seit Start des jeweiligen Forums im Schnitt einen oder mehr Artikel pro Monat verfasst. Auf Spiegel Online nur ca. 7% und das obwohl gerade auf Spiegel Online doch mit Sicherheit ausreichend viele interessante Themen diskutiert werden und ihre Leser finden.
Taugen Foren also prinzipiell nicht zur Leserbindung? Nicht unbedingt, auch wenn viele Foren derzeit ein trauriges Bild abgeben. Aber in einigen wenigen Fällen sind die absoluten Zahlen der Nutzer trotz der relativ geringen Anzahl doch beträchtlich. Zudem muss man berücksichtigen, dass Foren auch von nicht aktiv schreibenden Usern genutzt werden. Und man sollte bedenken, dass viele Foren auf den Sites ein Nischendasein fristen und nicht oder nur kaum in die redaktionellen Themen eingebunden sind. Die aktive Einbeziehung der Leser in eine Diskussion ist für zu viele Redakteure dann doch zu oft noch eine fremde Welt.
Was also tun, wenn man nicht zu den Spiegel Online's oder Focus.de's dieser Welt gehört, deren absolute Nutzeranzahl so groß ist, dass das Forum als sinnvolles Tool anzusehen ist?
Ich denke, dass es helfen würde, die Foren nicht als eine abgelegene Insel zu begreifen und zu hoffen, dass die Leser diese finden und auf Ihr zu diskutieren anfangen. Vielmehr sollten Foren verstärkt in die redaktionellen Beiträge eingebunden werden. Einige Sites wie z.B. Focus.de zeigen, dass Themen, die von den Redakteuren aktiv gesetzt werden, zu lebhafter Diskussion anregen können. Die Leser werden direkt im Artikel auf den Diskussionsthread verwiesen. Eventuell sind sogar die Ausgangsfrage und/oder die ersten Kommentare direkt zu sehen. Dieses Vorgehen erhöht die Chance, qualitativ hochwertige Kommentare zu bekommen, was wiederum die Zahl der Leser des Forums erhöhen sollte.
Hierzu ist es allerdings notwendig, dass die Hersteller der Foren-Software dieses technisch ermöglich. Aber auch für sonstige Verbesserungen haben die Hersteller der Forensoftware zu sorgen. So ist es angesichts mittlerweile gängiger Registrierprozesse unverständlich, warum man sich vor(!) verfassen des Artikels registrieren soll. Ein Hinweis auf die Notwendigkeit zur Registrierung genügt. Erst am Ende, wenn der User bereits seinen Kommentar verfasst und somit Arbeit investiert hat, sollte er - wenn überhaupt - zur Registrierung genötigt werden.
Dass zudem einige Foren unattraktiv aussehen, oder die Nutzer mit unnötigen Angaben belästigen, erhöht die Nutzungswahrscheinlichkeit zudem auch nicht unbedingt. Wozu muss ich den Nutzer nach seinem Wohnort fragen, wenn die Nutzer sowieso nur Spaßantworten geben? Wozu muss der Nutzer der Site einer Regionalzeitung seine Zeitzone eingeben? Eine Fokussierung auf das Wesentliche würde die Nutzerfreundlichkeit hier mit Sicherheit steigern.
Prinzipiell scheinen Foren somit als Instrument der Leserbindung geeignet zu sein. Hierfür sind einige Verbesserungen technischer und organisatorischer Natur notwendig, die aber auch für eine kleinere Regionalzeitung umsetzbar sein dürften. Hält man diese nicht für umsetzbar oder fokussiert man seine Kräfte lieber auf andere Aktivitäten, so sollte man Foren allerdings lieber gar nicht erst auf der Site implementieren. Denn wenig sieht unattraktiver aus, als ein leeres Leserforum.
12.04.06