Leserbindung auf Nachrichtensites - was Unique Users und Visits verraten
Vor einigen Wochen hatte ich anhand von AGOF-Daten analysiert, wie gut es deutschen Nachrichtensites gelingt, online eine Leserschaft aufzubauen (Details). Diese Kurzanalyse sagte jedoch nichts darüber aus, inwiefern die Leser zu regelmäßigen Besuchen der Site bewegt werden.
Kombiniert man jedoch Visits-Werte mit den AGOF-Zahlen, so zeigt sich ein Ranking, dass z.T. drastisch von den Ergebnissen der oben genannten Studie abweicht. Die letzten werden (fast) die ersten sein...
Für das dritte Quartal 2005 habe ich die durchschnittlichen Visits-Werte der Sites genommen und diese ins Verhältnis zu den Unique User-Werten der AGOF gesetzt. Die Detailergebnisse gibt's hier.
Meine Kurzanalyse der Ergebnisse:
- Die Werte sind im Schnitt sehr niedrig. Bei der Hälfte der Sites besucht ein Leser im Durchschnitt nur maximal 3,4 Mal pro Monat die Site. Beachtet man zudem, dass in der Regel eine kleine Minderheit der Besucher für eine große Anzahl der Visits verantwortlich ist, so zeigt sich, dass ein großer Teil der monatlichen Nutzer nur ein oder zwei Mal pro Monat auf der Site weilt. Und das, obwohl wir hier über Nachrichtensites reden, die im Prinzip täglich bzw. stündlich Neuigkeiten zu vermelden hätten. Zu einem Teil mag das durch die nächste Erkenntnis erklärt werden.
- Spiegel Online führt das Ranking mit extrem großen Abstand an. Durchschnittlich knapp 14 Besuche pro User sorgen für einen großen Abstand zum zweitplatzierten Kölner Express (8 Besuche). Da Spiegel Online letztendlich nichts anderes darstellt als einen gut gemachten Durchlauferhitzer für den dpa-Ticker, kann daraus abgeleitet werden, dass die Leser für aktuelle Nachrichten auf Spiegel Online gehen und den schnöden, ungetuneten dpa-Ticker auf der Site der eigenen Regionalzeitung verschmähen.
- Die Boulevard-Zeitung Express und Bild schneiden beide sehr gut ab. Während diese Zeitungen also relativ wenig Online-Leser im Verhältnis zu ihren Print-Lesern haben (wahrscheinlich, da viele ihrer Leser bei der Arbeit keinen Online-Zugriff haben), wird die existierende Online-Leserschaft zu vielen Besuchen bewegt.
- Erste Platzierung unter den Sites der Regionalzeitungen nimmt die Gruppe Westline ein. Äußerst beliebte Fußballforen (BVB, Schalke u.a.) ziehen die Nutzer regelmäßig an. Dieses Ergebnis ist auch deshalb so bemerkenswert, weil Westline in oben genannter Studie den letzten Platz belegt, also im Verhältnis zur Print-Leserschaft äußerst wenige Leser online erreicht.
- Zeit.de ist im Vergleich zu anderen wöchentlichen Publikationen wie Spiegel, Stern oder Focus weit abgeschlagen. Nur der Rheinische Merkur liefert schlechtere Werte.
- Das Feld der Regionalzeitungen belegt kompakt und ohne allzu viele Ausreißer die Mitte und die Rückbank des Feldes. Von Ausnahmen abgesehen ist auch in dieser Analyse die klare Zweiteilung in der Performance zwischen überregionalen Zeitungen und Regionalzeitungen erkennbar.
Soweit zu meinen knappen Analyseergebnissen. In einem nächsten Schritt sollte versucht werden, die Unterschiede für die unterschiedliche Performance der Sites herauszuarbeiten. Während einige Erklärungen auf der Hand liegen dürften, sind andere wahrscheinlich sehr viel subtiler und damit schwieriger zu identifizieren.
Außerdem wird es bei Vorlage der nächsten Welle der AGOF interessant zu sehen, inwiefern sich diese Werte verändern - ob sich also nicht nur die Reichweitenwerte erhöhen, sondern auch die hier analysierten Frequenzwerte. Stay tuned.
09.05.06
Kommentare
Hallo Matthias,
eine interessante Analyse. Eine Frage dazu: Wurde FAZ.net nicht analysiert oder ist der Auftritt im Ranking so weit unten, dass er nicht mehr gelistet wurde?
10.05.06 11:20
Katja Rodenhäuser