Wie man mit Epaper Geld verdient, oder auch nicht

Die großen in Epaper-Initiativen gesetzten Hoffnungen scheinen sich für viele Verlage nicht zu erfüllen. Einige wenige Verlage setzen das Epaper geschickt zur Umsatzsteigerung ein, während andere Chancen ungenutzt verstreichen lassen.

Getreu dem Motto meiner Site möchte und kann ich nicht das Thema bis ins letzte durchleuchten, aber eine Kurzanalyse der IVW-Zahlen und der Epaper-Konzepte zeigt drastische Unterschiede auf.

Und was man bzgl. Epaper von Harald Schmidt hätte lernen können, wird auch gezeigt...

Seit drei Jahren werden Epaper-Zahlen von der IVW veröffentlicht und zählen somit zur "harten Währung Auflage". Kontinuierlich kommen mehr und mehr Verlage mit eigenen Epaper-Angeboten hinzu. Aber viele weisen ihre Zahlen schon so lange aus, dass eine erste Langfristanalyse erlaubt sein dürfte.

In absoluten Zahlen betrachtet verkaufen die Verlage ihr Epaper im Abo oder im Einzelverkauf in zwei- oder dreistelliger Größenordnung. Der Donaukurier verkauft so z.B. 252 (Q1 2006) und die Heilbronner Stimme 688.

Aufschlussreicher sind die Werte jedoch, wenn man die Epaper-Zahlen ins Verhältnis der Print-Auflage setzt. Auch wenn sie z.T. schon seit Jahren mit dem Epaper im Markt sind, verkaufen die meisten Zeitungen weit weniger als ein Prozent ihrer Gesamtauflage als Epaper. Zahlen wie 0,16% (Die Rheinpfalz) oder 0,73% (FAZ) sind die Norm.

Spitzenreiter ist die Rhein-Zeitung mit 1,38% bei gut 3.000 "Exemplaren", aber äußerst beeindruckend ist das vor dem Hintergrund der großen Ankündigungen in der Fachpresse von vor ein paar Jahren auch nicht.

Zudem steigen die IVW-Werte mit 3%* pro Quartal für ein so neues Produkt nur sehr moderat an.

Machen die Epaper-Initiativen in so einer Situation finanziell Sinn?

Angesichts der oft sehr niedrigen Verkaufswerte in Höhe von wenigen hundert "Exemplaren" und den nicht unbeträchtlichen Anfangsinvestitionen dürften so einige Epaper-Initiativen in Summe Verlustbringer sein. Jetzt wo die Systeme aber zur Verfügung stehen und i.d.R. zu relativ geringen variablen Kosten zu betreiben sind, können kleine Unterschiede bereits große Wirkung erzielen.

Ein (bewußt vereinfachtes) Rechenbeispiel: Die Nordwestzeitung hat einen Epaper-Anteil von 1,13% (Q4 2005), während der Schwarzwälder Bote einen Wert von 0,10% erzielt. Würde der Bote einen ähnlich hohen Wert wie die Nordwest-Zeitung erzielen zum Einzel-Preis der NWZ (Euro 1,9), würde dieses einen Zusatzumsatz von über einer Million Euro bedeuten. Dieser Wert reduziert sich natürlich etwas, wenn man berücksichtigt, dass man z.T. mit dem Epaper den Einzelverkauf Print kannibalisiert, aber im Fall einer solchen Kannibalisierung reduzieren sich zumindest die mit einer Print-Ausgabe verbundenen Kosten, so dass auch in diesem Fall ein positiver Effekt eintritt. Nicht zu vergessen ist zudem, dass höhere IVW-Werte sich positiv auf die Anzeigenpreise auswirken. Bei dem derzeitigen durchschnittlichen Umsatzverhältnis von Vertrieb zu Anzeigen von 50:50 würde dieses ca. eine weitere Million Euro bedeuten.

Die Gründe für diese unterschiedlich hohen Nutzungswerte des Epapers können vielzählig sein. Die im Markt befindlichen Epaper-Lösungen sind unterschiedlich nutzerfreundlich (sehr schön: Aachener Zeitung), die Werbung in Print für das Epaper kann stark variieren, die Einbindung in die Sites ist unterschiedlich gut gelöst und zu guter letzt spielt der Preis eine Rolle.

Ohne ins Detail gehen zu können sei aber vermerkt, dass erfolgreiche Verlage ihr Epaper anscheinend sehr stark im Einzelverkauf oder als Zusatzabo zum Print vertreiben. So spielen vollwertige Epaper-only-Abos z.B. bei der Nordwest-Zeitung oder der Rheinzeitung (fast) keine Rolle. In letzterem Fall wird der Bezug eines Zusatzabos zum Print mit einigen z.T. kostenpflichtigen Extras wie z.B. einem Archivzugang oder einem Clipping-Service attraktiv gemacht, was auch als Teilerklärung für den Erfolg des Epapers bei der Rheinzeitung dienen dürfte.

Unterm Strich muss jedoch nach derzeitigem Stand festgehalten werden, dass die Epaper-Lösungen nur ein Nischendasein online fristen. Rückblickend ist dieses einfach fest zu stellen. Und dabei hätte mehr Aufmerksamkeit bei Harald Schmidt sehr geholfen: vor mehreren Jahren schaltete er wenige Minuten nach Start seiner Sendung das Bild ab. Es gab Harald Schmidt als Radio-Sendung. Tolle, dreiste Idee, fand ich und war begeistert. Nach wenigen Minuten war der Fernseher aus. So toll die Idee auch gewesen sein mag, Fernsehen ist Fernsehen und Radio ist Radio. Es war langweilig.

Was hat das mit Epaper zu tun? So wie Fernsehen ohne Bild nicht Radio ist, so ist eine Zeitung ohne Papier nicht Internet. Ein Epaper wird dem Medium Internet nicht in Ansätzen gerecht.

Wenn man bedenkt, dass eines der wesentlichen Erfolgskriterien des WWW die Verwendung von Hyperlinks war und ist, so stellen die in Deutschland überwiegend verwendeten Epaper-Lösungen einen klaren Rückschritt dar. Weder führen Links von den Sites direkt zu den Artikeln der Epaper (was auch aus Gründen der Vermarktung positiv sein dürfte), noch werden die Inhalte der Epaper verlinkt.

Die Fotos sind zumeist erst nach Anklicken erkennbar, man muss mit der Maus über die Texte fahren, um die Überschrift und die ersten Sätze erkennen zu können, die Artikel sind für Print-Leser geschrieben, die Inhalte sind z.T. veraltet, und und und - jeder von Ihnen dürfte diese Kritikliste noch um mindestens fünf weitere Punkte problemlos erweitern können.

Angesichts solcher Kritik ist es dann vielleicht schon wieder als Erfolg zu werten, dass die Verlage überhaupt ein paar hundert oder sogar tausend "Exemplare" als Paid Content vertreiben können.

Ein totaler, umfassender Misserfolg scheint das Epaper nicht zu sein, aber mehr als ein Nischendasein dürfte ihm auch nicht zuzutrauen sein. Trotz all der euphorischen Prognosen.


* Q1 2005 bis Q1 2006, nur Zeitungen mit Epaper-Auflage >100 und Marktpräsenz von mind. einem Jahr

Kommentare

Zu ganz ähnlichen Schlussfolgerungen für die Schweizer Print-Branche bin ich vor anderthalbJahren in meinem Artikel Blättern mit der Maus gelangt.

02.05.06 01:37

Und hier noch der richtige Link. Sorry!

29.05.06 20:04

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