Lokale Nachrichten auf Spiegel Online
Diese Schlagzeile ist natürlich (noch) falsch. Aber was wäre, wenn die nicht abwegig erscheinenden Prognosen von Eli Noam zutreffen?
Ein Jahr nach seinen Aufsehen erregenden Thesen in „Bad News for News“ legt er jetzt mit „Good News for News“ nach und prognostiziert einen tief greifenden Strukturwandel hin zu einer vernetzten Zeitungslandschaft.
Und das kann bedeuten: Noch mehr Bad News für Regionalzeitungen.
Statt überwiegend autonome Organisationen darzustellen, die den Anspruch haben, möglichst eigenständig alle Nachrichten für die Leser zu erarbeiten, wird es nach Meinung des Professors für Volkswirtschaft zu einer stärkeren Spezialisierung und Vernetzung kommen.
Das Prinzip einer Regionalzeitung funktioniere nicht mehr. In einer Welt, in der an jeder Ecke im Internet spezialisierte, oft genug gut aufbereitete Artikel kostenfrei abrufbar seien, könnten Regionalzeitungen nicht mithalten. Trotz aller redaktioneller Anstrengungen sind sie oft genug nicht konkurrenzfähig.
Ein Beispiel: Insbesondere größere Regionalzeitungen haben in den Mantelressorts oft hohe Ansprüche an sich. Das von ihnen produzierte Angebot wird am Frühstückstisch oder im Bus zur Arbeit gelesen. In diesen Situationen ist dieses Angebot ausreichend und die Konkurrenz ist kostenpflichtig und liegt weit entfernt – am Kiosk. Die wenigsten Leser bezahlen zusätzlich noch für eine nationale Qualitätszeitung.
Im Internet ist die Situation jedoch anders. Wenn Süddeutsche.de, FAZ.net, Welt.de nur einen Klick entfernt und zudem kostenfrei sind, sehen die meisten Nutzer keinen Grund, nationale und internationale Nachrichten von der Regionalzeitung zu beziehen.
Dieses dürfte einer der Gründe dafür sein, dass es überregionalen Zeitungen so viel besser gelingt, Leser online zu gewinnen als regionalen.
Noam sagt eine stärkere Spezialisierung und Arbeitsteilung als Folge dieser Problematik voraus.
Auf der einen Seite stehen die spezialisierten Content-Anbieter. Bislang relativ breit aufgestellte Zeitungen müssten sich fokussieren auf ihre Kernkompetenz. Redaktionell betrachtet ist dieses vor allem die lokale bzw. regionale Kompetenz. In den meisten Fällen ist dieses allerdings auch die einzige redaktionelle Kernkompetenz.
Auf der anderen Seite stehen die Content Aggregatoren, die es geschafft haben, eine große Reichweite aufzubauen. In diese Websites würden dann andere Inhalte, z.B. die lokaler Zulieferer integriert.
Spiegel Online verfolgt dieses Konzept bereits in geringerem Umfang, in dem für jedes Themengebiet regelmäßig Artikel kooperierender Publikationen eingepflegt werden. Der Schritt hin zur lokalen Berichterstattung mittels Kooperationspartner ist da nur ein logischer Schritt (gleiches gilt selbstverständlich auch für Süddeutsche.de, Welt.de, etc.).
Für Regionalzeitungen bedeutet dieses aus meiner Sicht überwiegend eine Gefahr – zumindest gemessen am redaktionellen Anspruch der meisten Regionalzeitungen in diesem Land.
Für den eigenen Korrespondenten in Berlin oder für eigene Berichterstattungen von internationalen Sportwettbewerben ist in dieser neuen Welt kein Platz mehr.
Es bleiben die Kernkompetenzen – und das ist in der Regel nur das regionale bzw. lokale Geschäft. Wenn nicht noch rechtzeitig reagiert wird.
28.06.06