Site-Check RSS: Zwei-Klassen-Gesellschaft
Wer sich mit Zahlen über die Nutzung der Websites deutscher Zeitungsverlage beschäftigt weiß, dass nur äußerst wenige Nutzer mehrfach in der Woche auf die Site kommen. Und das trotz der üblicherweise regelmäßigen Aktualisierung der Inhalte auf solchen Sites.
Nur wenige Sites werden regelmäßig von einer größeren Zahl von Nutzern besucht, weil diese wissen, dass sich seit ihrem letzten Besuch mit Sicherheit etwas auf der Site geändert haben dürfte. Alle anderen Sites müssen mit Hilfe geeigneter Methoden dafür sorgen, dass die Nutzer regelmäßig wiederkommen.
RSS stellt hierfür eine der möglichen Methoden dar. Es ist eine relativ(!) einfache Möglichkeit zur Information der Nutzer über neue Artikel.
Nur wie wird RSS derzeit auf deutschen Nachrichten-Sites eingesetzt? Und was könnte man verbessern?
Die erfolgreichen nutzen RSS
Von den vier relativ erfolgreichen*, die ich untersucht habe, setzen alle RSS ein. Dieses sind Süddeutsche.de, Spiegel Online, Welt.de und Tagesspiegel.de.
Allerdings variiert die Art des Einsatzes stark. Während der Tagesspiegel und die Welt ca. 20 Feeds anbieten, gibt es bei den Münchnern nur acht und von Spiegel Online nur einen. Die Welt legt zudem den Schwerpunkt auf die Nutzung der Feeds als Methode zur Content Syndication auf anderen Websites und bietet hierzu ein schönes code-generierendes Tool an.
Alle außer SpOn bieten Erklärungen zu RSS an und einige verweisen auf geeignete RSS-Reader.
Die Süddeutsche bewirbt allerdings bevorzugt ihren proprietären News-Reader, der nicht zum darstellen anderer RSS-Feeds geeignet ist. Einer der Hauptvorteile von RSS, die Möglichkeit zur Aggregation mehrerer Quellen in einer Ansicht wird hiermit verschenkt. Schön ist allerdings die sehr einfache Installation des Tools.
Keiner bietet einen eigenen, gebrandeten Reader an, der auch zur Darstellung anderer Feeds geeignet ist (wie es z.B. der Guardian macht).
Trotz der Erklärungen auf den meisten dieser Sites wird der potenzielle Nutzer doch ziemlich alleine gelassen, wenn er tatsächlich einen Reader installieren und den Feed lesen möchte. Angesichts der Tatsache, dass Zeitungen eine relativ breite und damit im Schnitt nicht sonderlich technisch versierte Leserschaft erreichen, hätte ich bedeutend mehr Unter-stützung durch die Sites erwartet.
In die gleiche Richtung geht das Problem, dass alle Sites RSS tatsächlich nur unter dem Link „RSS“ anbieten. Folglich muss der User bereits wissen, was RSS ist, um auf den Link zu klicken. Angesichts der Tatsache, dass Nachrichten-Sites ein Interesse an der Nutzung der Feeds haben müssten, überrascht es folglich, dass RSS den Nutzern nicht unter aussagekräftigeren Links angeboten wird.
Nachholbedarf in der Region
Trotz dieser Schwächen im Angebot von RSS-Feeds sind die genannten Sites jedoch besser aufgestellt, als von mir untersuchte Sites, die bislang im Verhältnis zu ihrer Größe im Print relativ wenige Leser online für sich gewinnen konnten.
Weder der Südkurier noch der Bonner General-Anzeiger, das Oberbayerische Volksblatt oder die Leipziger Volkszeitung bieten überhaupt RSS-Feeds an. Nur die WAZ stellt Feeds zur Verfügung – diese allerdings dann gleich in sehr hoher Zahl (70).
Die Nutzung von RSS-Feeds kann gewisse Gefahren mit sich bringen. Hierzu zählt vor allem, dass Nutzer vom habituellen regelmäßigen Besuch einer Site „entwöhnt“ werden können und tatsächlich nur noch dann können, wenn ein im RSS-Reader interessant erscheinender Artikel Sie zum Besuch verleitet. Angesichts der sehr niedrigen Zahl solch habituell die Site aufsuchenden Nutzer auf den meisten Sites ist dieses allerdings meiner Meinung nach eine relativ geringe Gefahr.
Für die meisten Nachrichten-Sites dürften sich aus der Verwendung von RSS Vorteile ergeben.
Verbesserungsansätze
Wie könnte ein RSS-Angebot optimal eingebunden werden, um die oben angesprochenen Schwächen zu überwinden?
Folgende Aspekte halte ich für relevant:
a) „Erziehung“ der Nutzerschaft
b) Verkürzung des Wegs zum Reader
c) Einbeziehung weiterer Feeds
ad a) „Erziehung“ der Nutzerschaft
Insbesondere Regionalzeitungen erreichen online eine relativ breite Leserschaft, die in der Regel nicht mit dem Begriff RSS vertraut sein dürfte.
Es ist aus meiner Sicht folglich Aufgabe dieser Zeitungen, den Nutzern diesen Begriff und die damit verbundenen Vorteile näher zu bringen. Ein Link „RSS“ auf der Site hilft hier mit Sicherheit nicht weiter. Hilfreich wären verbale Hinweise auf nachrichtenlastigen Seiten der Site, auch z.B. in Form einer periodisch erscheinenden „Werbung in eigener Sache“ für RSS.
Dem Nutzer muss von Anfang an (und nicht erst nach Anklicken des RSS-Links) beigebracht werden, dass er sehr einfach über die neuesten Nachrichten informiert werden kann.
ad b) Verkürzung des Wegs zum Reader
Manche Sites nennen empfehlenswerte Reader und verlinken zu den Download-Sites. Die letztendliche Installation und das Einrichten der Feeds obliegt aber weiterhin den Nutzern. Reichlich Gelegenheit für weniger technik-affine Nutzer, auf diesem Weg zu scheitern…
Es ist aus meiner Sicht Aufgabe der Sites, diesen Weg zu verkürzen, in dem z.B. Feed-Reader direkt von der eigenen Site heruntergeladen werden können und die Feeds schon vorinstalliert sind.
ad c) Einbeziehung weiterer Feeds
Ein zentraler Vorteil von Feed-Readern ist die Möglichkeit, die Neuigkeiten auf den verschiedensten Sites auf einen Blick zu erkennen. Hat der User nur den einen Feed seiner Regionalzeitung abonniert, so ist es leicht möglich, dass er den Feed-Reader für wenig hilfreich erachtet.
Sinnvoll ist es hier meiner Meinung nach, wenn die Zeitungs-Site eine Übersicht anderer interessanter Feeds zur Verfügung stellt und – im Idealfall – diese auf Knopfdruck im Rea-der des Users bei der Installation implementiert.
Zum Abschluss sei nochmals darauf hingewiesen, dass der Guardian einen eigenen und entsprechend mit der eigenen Marke versehenen Reader anbietet, der zudem offen für die Abonnierung anderer Feeds ist. Hierdurch ist sowohl eine hohe Nutzerfreundlichkeit und Vorteilhaftigkeit des Readers für den Nutzer gewährleistet, als auch die Bindung des Lesers an den Guardian.
Ps: Den RSS-Feed dieser Site können Sie hier abonnieren.
* „erfolgreich“ jeweils in Relation zur verkauften Auflage (Daten siehe hier)
19.06.06