Readers Edition gehen die Artikel aus

Wenige Wochen nach Start der Beta-Phase durchläuft Readers Edition, das Bürgerjournalismus-Experiment der Netzeitung eine akute Schwächephase.

Rund 140 Autoren konnten seit dem Start Anfang Juni gewonnen werden, doch die Zahl der Neuzugänge nimmt derzeit rapide ab. Nur sechs neue Autoren in der letzten Woche und davor nur zwölf.

Alles halb so schlimm, wenn die bestehenden Autoren aktiv wären. Dieses ist aber leider nicht der Fall. Neue Artikel kommen kaum hinzu.

Nur die Homepage kann noch mit aktuellen Artikeln gefüllt werden (und auch das nicht immer) während schon die Übersichtsseiten für Politik, Sport etc. durch Beiträge auffallen, deren Haltbarkeitsdatum längst abgelaufen ist.

Zudem mangelt es auch an aktiven Nischen in denen sich abseits der Inaktivität kleine Gruppen zusammen gefunden haben und ihr aktives Community-Leben betreiben.

Was tun?

Intern hat man dieses Problem offensichtlich auch erkannt und sucht nach Gegenmaßnahmen. Am Bekanntheitsgrad der Site soll gearbeitet werden (wie?). Und auch die Motivation der bestehenden Autoren soll durch bessere Kommunikation mit den Autoren verbessert werden.

Kein Wort über grundsätzliche konzeptionelle Änderungen. Vielleicht ist es dafür noch zu früh, aber die extrem niedrigen Nutzungswerte legen den Verdacht nahe, dass das Konzept so nicht aufgeht.

Selbst wenn jeden Tag zwanzig Artikel eingestellt würden: wofür steht die Readers Edition? warum sollte ich sie aufsuchen? Die Site ist thematisch so extrem breit aufgestellt, dass es selbst bei höheren Nutzungswerten unwahrscheinlich wäre, dass man regelmäßig interessante Artikel findet.

Ein sich selbst verstärkender Kreislauf mit vielen (guten) Artikeln, die viele Leser anziehen, die dann wiederum für verstärkte Schreibaktivität sorgen, welche wiederum mehr Leser anziehen... ein solcher Kreislauf kommt hierdurch nicht zustande.

Vielen regelmäßigen Netzjüngern ist die Netzeitung und somit oft genug auch die Readers Edition bekannt. Und dennoch verfügt sie nicht über ein aktivierbares Leser- und Autorenpotenzial, wie es z.B. eine alteingesessene größere Regionalzeitung besitzt. Ein Jumpstart über ein breites Themenspektrum hinweg wird hierdurch fast unmöglich.

Das Nutzen attraktiver Nischenthemen, die dann schrittweise ausgeweitet werden, könnte ein grundlegender Lösungsansatz sein. Zwar erreicht man in solchen Fällen nicht alle potenziellen Leser, aber es fällt leichter, für Nischenthemen ein qualitativ hochwertiges, aktuelles Angebot zu schaffen, welches seine treuen Nutzer findet, welches wiederum zu mehr Lesern führt, was wiederum...

Mit Sicherheit gibt es noch andere Verbesserungsansätze wie z.B. eine umfangreichere Kompensation der Autoren (mit Möglichkeiten zur Selbstdarstellung, Leserfeedback und ähnlichen Dingen, die dem Ego schmeicheln - nicht unbedingt monetäre Kompensation) oder eine bessere Anfütterung von Themen durch die Netzeitung ("Themenwolken sähen" nannte es der CEO von Reuters). Aber ob eine bessere Kommunikation zwischen Autoren und Moderatoren der Kern der Lösung sein kann möchte ich bezweifeln.

Von den funktionalen Schwächen, die ich in meinem ersten Beitrag zur Readers Edition angekreidet habe, sind zu meinem Erstaunen tatsächlich einige abgestellt worden. Und dennoch bleiben noch viele übrig (z.B. führt "Beste Autoren" mitnichten zu den besten Autoren), aber diese Schwächen dürften nicht der Grund für die derzeitige Flaute sein.

Ambitioniert ist es, das Experiment, und ich hoffe, dass man eines Tages positive Lehren daraus wird ziehen können. Aber danach sieht es derzeit nicht aus. Mal sehen, wie es nach dem Sommerloch um die Readers Edition steht.

Kommentare

Ich glaube,es schleicht sich schnell ein, was ich zuvor befürchtet habe: fehlende Motivation der Schreiber. Der Readers Edition fehlt inhaltlich irgendwie der Fokus, und es reicht wohl nicht, die Motivation allein daraus zu ziehen, für die RE zu schreiben. Dann schreib ich doch lieber in meinem Weblog.

11.07.06 09:48

Mir bringt es wenig "Readers Edition"-Autor zu sein. Die Recherchemöglichkeiten sind nicht besser als bei meinem eigenen Blog und RE-"Mitarbeiter" zu sein ist nichts besonderes, weil es jeder sein kann.

12.08.06 13:11

Wenn ich etwas veröffentlichen will, ohne dass ich gegängelt werde, tue ich dies in meinem eigenen Weblog, dessen Texte von immer mehr anderen Webseiten übernommen werden. Nach der ersten Ablehnung eines Textes von mir habe ich die Lust an Readers Edition verloren. Für Schreibübungen ist mir als alter Journalist und Buchautor die Zeit zu schade ...

25.12.06 20:15

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