Sind Zeitungen online unsozial?
Ein nettes kleines Tool liefert Anzeichen dafür, wie sehr bzw. wie wenig die Websites deutscher Zeitungsverlage Teil der Online-Community sind.
SocialMeter nennt sich die kleine Website, die über diverse Such- und Bookmarking-Sites wie z.B. Google, del.icio.us und Digg.com hinweg angibt, wie viele Links auf eine bestimmte Website verweisen. Die Summe der Links kann man dann – so interpretiere ich mal ganz platt die URL – als Maßstab der sozialen Online-Integration verstehen.
Kein Indikator, der die Welt erklärt, der aber doch ein paar schöne Ergebnisse über die Online-Integration deutscher Nachrichten-Websites liefert.
„The winner takes it all“ kommt in den Sinn, wenn man sieht, wie viel mehr Links auf Spiegel Online gehen als auf jede andere Site. Insgesamt knapp 96.000 Links verweisen auf SpOn während auf Welt.de, der Site mit den zweitmeisten Links nur 57.000 verweisen.
Dieser Vorsprung resultiert hauptsächlich aus SpOns offensichtlicher Popularität in der Blogger-Gemeinde. Mit knapp 60.000 Technorati-Links verlinken ca. drei Mal so viele Blogs auf Spiegel Online wie auf Welt.de und z.B. rund sechs Mal so viel wie auf Süddeutsche.de.
Bei den von Google ermittelten Links stellen allerdings die FTD (ca. 46.000 Links), Bild.de (ca. 41.000), Stern.de (ca. 41.000) und Welt.de (ca. 37.000) Spiegel Online in den Schatten.
Während man folglich Spiegel Online und einige andere große Sites gemäß dieses Kriteriums (und nur danach) als „integriert“ ansehen kann, findet die gegenseitige Verlinkungspraxis quasi unter Ausschluss der kleineren Nachrichtensites statt.
Vor ein paar Tagen bin ich bereits darauf eingegangen, wie wenig Nachrichtensites auf andere Websites verlinken. Die Quittung kommt postwendend: es verlinkt auch niemand zurück. Möglichkeiten zur Traffic-Generierung werden somit nicht genutzt.
So verlinken z.B. auf die Nordwestzeitung nur rund 225 andere Sites, auf die Thüringische Landeszeitung nur ca. 550 und auf den Südkurier nur ca. 580.
Zudem sind diese Links fast keine Links von Blogs (d.h. von Technorati gemessen) oder solche, die auf Social Boomarking-Sites gesetzt wurden. Web 2.0 ist hier noch nicht ganz angekommen.
Blogger zeigen auf wie es gehen kann. Auf Wirres.net wurde rund 10.000 Mal verlinkt und auf Hebig.com ca. 3.300 Mal.
Es ist folglich kein Wunder, dass diese Blogs mehr Traffic generieren, als viele Websites kleinerer bis mittlerer Zeitungsverlage. Und das, obwohl beide von jeweils einer Person betriebene Sites sind.
Angesichts der in den meisten Fällen immer noch extrem niedrigen Nutzerzahlen deutscher Nachrichten-Sites stellt die Art und Weise, wie man sich innerhalb des Netzes verlinkt meiner Meinung nach nicht nur eine Chance zur qualitativen Steigerung des eigenen Angebots dar (den Links können dem Nutzer Mehrwert bieten), sondern auch zur Steigerung der Zugriffszahlen.
Sowohl technisch (permanente URLs, keine Archivierung, etc.) und redaktionell sind hier neue Lösungen notwendig.
20.08.06
Kommentare
Danke für den schönen Hinweis auf das SocialMeter-tool. Man freut sich doch, wenn man im Vergleich mit den Vergleichbaren ordentlich dasteht (z.B. 817 gogle links).
Aber erneut fällt mir auf, daß die Popularität der Großen zum Teil dadurch begründet ist, daß auch in Fach-Blogs nur über die Großen bzw. die ewig gleiche Gruppe des Mittelfelds der online-Zeitungen geschrieben wird.
Im "Journalist" beschäftigt sich ein zweiseitiger Artikel mit den bloggenden Redakteuren und bloggenden Amateuren auf Zeitungsseiten. Wir kommen darin nicht vor, obwohl unser Redakteursblog nach Zugriffen erfolgreicher ist, als einer der dort als Beispiel genannten Bürgerjournalismus-Blogs (der viel mehr Schreiber hat). Ich weiß, daß wir die zehnfachen Zugriffszahlen auf ein von Frau Riefler auf Kongressen hoch gelobtes Blog-Angebot haben.
Machen wir Kleinen also einfach nur zu wenig Werbung für uns? Haben wir die falschen URL (in unserem Fall das kryptische www.ln-online.de statt das eingängige www.luebecker-nachrichten.de)? Ich hab' keine Ahnung.
Richtig ist aber, daß wir Kleinen zu wenig verlinken. Das hat besonders besonders was mit der Besetzung der online-Redaktion zu tun - anderthalb Stellen sind für Qualitäts-Journalismus im Netz zu wenig. Was technisch machbar ist (permanente URL z.B.) versuchen wir schon umzusetzen.
Kurz: Nicht verzweifeln. Die Realität ist manchmal bereits schöner als der Schein.
22.08.06 09:48
Holger Haase