Google News Archive Search gestartet: Deutschlands Geschichte beginnt erst 1995

Google hat mit seinem neuen Angebot News Archive Search eine drastische Wende in der Art und Weise wie Verlage ihre Archivinhalte zugänglich machen eingeleitet.

Viele Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte zurückliegende Nachrichten wurden indexiert und werden dem User in bekannter Google-Struktur präsentiert.

Schaut man sich den Stand des deutschen Index an hat man allerdings das Gefühl, die deutsche Geschichte habe erst Mitte der Neunziger begonnen.

Das neue Angebot ist bislang – wie üblich – vor allem für den amerikanischen Markt implementiert worden. In hunderten amerikanischer Zeitungsarchive kann nach historischen Events wie z.B. „fall berlin wall“ gesucht werden.

Die Ergebnisse werden entweder nach Relevanz sortiert angezeigt oder in einer chronologisch sortierten Liste („Timeline“). Letztere ist jedoch noch fehlerhaft. Teilweise werden in der nach Relevanz sortierten Liste angezeigte ältere Artikel nicht in der Timeline dargestellt. So beginnt z.B. die Timeline für ein Ergebnis aus den Achtzigern erst Mitte der Neunziger.

Im englischsprachigen Markt bieten bekannte Marken wie die New York Times, der Guardian, das Wall Street Journal und Archivdienstleister wie z.B. Lexis Nexis oder Newsbank ihre Inhalte an. Über letztere werden auch die Archive vieler kleinerer Zeitungen erschlossen.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Google mit dem neuen Service quasi offiziell das so genannte Cloaking legitimiert. Hierbei werden eigentlich nur für registrierte oder zahlende Leser zugängliche Inhalte einer Datenbank den Spiders der Suchmaschinen zur Indexierung frei gegeben. Die User können die Artikel somit finden, aber erst nach Registrierung bzw. Zahlung lesen.

Diese Technik war bislang überwiegend verpönt. Gleichzeitig behinderte die Ablehnung des Cloaking jedoch bis zu einem gewissen Grad die Erschließung des so genannten Dark Web, also der Ecken des WWW, die für den normalen Nutzer nicht über Suchmaschinen zu entdecken waren.

Andere Sprachversionen von Google News Archive Search existieren bislang nur im begrenzten Umfang. Dennoch nehmen bereits erstaunlich viele deutsche Verlage teil.

Finden konnte ich u.a. den Tagesspiegel, Die Welt, die taz, die Deutsche Welle, die RP, aber auch kleinere Spieler wie die Neue Musikzeitung, jesus.ch oder die Welzheimer Zeitung.

Letztere bietet offenbar sogar über Google ihre Archivinhalte direkt und ohne kostenpflichtige Registrierungsschranke an, während Nutzer der Verlags-Website sich zumindest registrieren müssen (ob der Service kostenpflichtig ist konnte ich beim besten Willen nicht erkennen).

Während in der amerikanischen Version viele der bei Archivdienstleistern gefundenen Artikel kostenpflichtig sind, konnte ich dementsprechende Angebote in Deutschland nicht entdecken.

Offensichtlich hat sich Genios/GBI noch nicht zu einer Teilnahme entschlossen.

Als Resultat reichten die Suchergebnisse bei meinen Tests auch nur maximal elf Jahre zurück. Der erste Artikel über den Terroranschlag von München 1972 ist von 1995!

Unter strategischen Gesichtspunkten bedeutet diese neue Form der Kooperation der Verlage mit Google eine signifikante Wende in der Art und Weise wie die meisten Verlage mit ihren Archiven umgehen.

Prinzipiell bietet News Archive Search das Potenzial, die eigenen Archivinhalte sehr viel mehr Lesern zugänglich zu machen. Musste bislang der User erst auf die Idee einer Archivsuche auf einer Nachrichtensite kommen, um dann evtl. im Archiv etwas zu finden, hat er jetzt die Chance, wie gehabt auf Google zu suchen und bequem auf die Archivinhalte hingewiesen zu werden.

Da die User in der Regel über Google & Co. suchen und im Verhältnis äußerst selten auf den Archivseiten der Verlage, ist dieses ein großer Schritt vorwärts.

Langfristig birgt diese Kooperation allerdings die Gefahr, dass die Verlage in ihrer Bedeutung für die Kunden reduziert werden. An anderer Stelle hatte ich bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Bereich der Online-Nachrichten eine Tendenz dahin gibt, dass einige wenige Sites wie z.B. Aggregatoren (z.B. Google News) oder große Player (z.B. Spiegel Online) sich zu den zentralen Anlaufstellen für Nachrichtenleser entwickeln. Diese strukturieren und gewichten die Nachrichtenlage für die Leser und „verteilen“ dann die Leser auf die Quellensites.

Für kleinere Verlage bleibt also übertrieben ausgedrückt nur die Rolle als Informationslieferant. Die Funktion als zentrale Instanz für die Gewichtung und Strukturierung der Nachrichten für die eigenen Leser ginge verloren. Damit einher geht automatisch ein Reichweitenverlust, eine Verkürzung der Wertschöpfungskette und somit weitere Einbußen im Werbegeschäft.

Weitere Artikel über Google News Archive Search:
- BBC
- NYTimes
- Searchenginewatch.com

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