Österreichs oe24.at gibt alles

Der Online-Ableger der neuen Tageszeitung Österreich versucht schon gleich zu Beginn, sämtliche Funktionen anzubieten, die aus diversen Ecken des Netzes von Nachrichtensites gefordert werden. Blogs, Leser-Kommentare, reichlich Video, Bewertungen – alles ist vorhanden.

Dabei wäre weniger mehr gewesen.

Mit modernem Touch und relativ aufgeräumt kommt die Homepage von oe24.at daher. Die Top-Artikel werden mittels großer, wechselnder Bilder angepriesen und rechts prangt prominent der Link zu den Video-Nachrichten, die stündlich aktualisiert werden.

Die wechselnden Bilder in Kombination mit den ein bis zwei blinkenden Anzeigen lassen einen aber nicht lange verweilen. Es verwundert etwas, dass man das bislang nur durch die Werbung erfolgte Nerven der User mittels animierter Elemente jetzt auch als redaktionelle Aufgabe versteht.

Zwar können die animierten Headlines angehalten werden, aber diese Einstellung wird nicht gespeichert. Auf vielen Übersichtsseiten wird man erneut animiert, die Site schnell zu verlassen.

Die Site ist zwar im Drei-Spalten-Design gestaltet, allerdings wird die linke Spalte angenehmerweise nicht für die Navigation verwendet. Stattdessen werden (überwiegend) relevante Zusatzfeatures wie z.B. Umfragen angeboten.

Aufgrund des Drei-Spalten-Designs mit einer eher zu schmalen mittleren Spalte wird die Homepage relativ lang. Positiv ist jedoch, dass die nur durch Scrollen zu erreichenden Gegenden der Homepage keine Text- und Artikelwüsten sind, sondern die Artikel relativ groß angepriesen werden.

Zum Teil ist die Site sehr bunt und nicht mehr so aufgeräumt wie die Homepage, insgesamt jedoch bzgl. des Designs eine gute Abwechslung zu vielen anderen Nachrichtensites.

Auf oberster Ebene der Navigation versucht man alles in die Oberbegriffe „News“, „Life“ und „Video“ zu zwängen. Diese Begriffe sind bereits nicht überschneidungsfrei und so stellt sich die Befürchtung einer redundanten Navigation schnell als berechtigt heraus. Diverse Inhalte sind über verschiedene Wege innerhalb der Top-Navigation zugänglich.

Eine Orientierung auf der Site wird hierdurch erheblich erschwert. Angenehmer wäre es, solche redundanten Verlinkungen würden in der Content Area der jeweiligen Seite gesetzt.

Inkonsequent und verwirrend ist auch die Darstellung der Navigationselemente und die Seitenbezeichnung. So wird der Seitentitel, der den Namen der dritten Navigationsebene beinhaltet, oberhalb dieser dritten Navigationsebene angezeigt.

Die Verwendung weiterer Navigationselemente führt z.T. zu ganz erheblicher Redundanz und reduziert die sichtbare Fläche (siehe Bild). In einigen Fällen kann der Leser mit 1024x768er-Auflösung ohne Scrollen nur ein oder zwei Artikel erkennen.

oe.at Ausschnitt Navi Fußball 2006-09-05.jpg

Unerklärlich ist, was z.B. das Telefonbuch und der Rubrikenmarkt Immobilien unter News > Wirtschaft zu suchen haben. Hier führt der vermeintliche Versuch zu einer möglichst einfachen Top-Level-Struktur zu solch absurden Ergebnissen (hier gilt tatsächlich: mehr wäre mehr).

Dass die Suche derzeit nicht zu funktionieren scheint, kann man als Kinderkrankheit abtun, wenngleich als sehr ärgerliche. Eigentlich dürfte man mit so einem Bug nicht live gehen (ich weiß, die Option gab es nicht).

Auf alle Funktionen, die unter „Der letzte Schrei“ laufen einzugehen, wäre zu aufwändig. Prinzipiell ist es anerkennenswert, dass die Site die Leser in äußerst umfangreichem Maße einbeziehen möchte.

Leser können eigene Beiträge erstellen, Fotos und Videos hochladen, Kommentare und Leserbriefe verfassen, die Artikel bewerten und und und.

Leider sind viele dieser Features nicht so recht durchdacht. Schlimmer wird es allerdings dadurch, dass aufgrund der vermutlich noch sehr geringen Leserschaft (Österreich ist erst seit wenigen Tagen im Markt) und eigenen Verschuldens die Partizipation an diesen Funktionen zu oft auf einem peinlich niedrigen Niveau verharrt.

So gelangt man von einem Artikel über den Entführungsfall Kampusch auf ein Forum, in dem innerhalb von rund vier Tagen nur vier Einträge verfasst wurden. Hochgeladene Bilder, Videos existieren kaum. Leserbeiträge werden fast nie bewertet oder kommentiert. Auch bei den Artikeln der Redakteure konnte ich bislang keinen einzigen Leser-Kommentar entdecken.

Eine solche Situation mag angesichts des frühen Zeitpunkts noch verständlich sein, obwohl man sich angesichts des großen Brimboriums um Österreich mehr erwartet hätte. Schlimmer ist jedoch, dass ein guter Teil der mangelnden Partizipation hausgemacht sein dürfte.

Die meisten der interaktiven Funktionen erfordern eine Registrierung. Ohne dass ich mich durch den gesamten Registrierungsprozess gequält hätte, kann man sagen, dass dieser Prozess, nun, doch „erhebliches Verbesserungspotenzial aufweist“. Beispiel: Wenn man den Newsletter beziehen möchte, muss man seine Mobilnummer angeben - und das obwohl das Beziehen eines Newsletters eigentlich überhaupt keine Registrierung erfordern müsste.

Kein Wunder, dass sich dort niemand registriert und dementsprechend kaum jemand die angebotenen Funktionen nutzt.

Auch andere Funktionen sind auf eine nicht nachvollziehbare Art und Weise gestaltet.

Und irgendwann fällt einem auf: man hat sich jetzt seit längerer Zeit auf der Website aufgehalten und nicht ein Mal ist einem ein Artikel aufgefallen, der interessant zu lesen erschien. Zugegebenermaßen bin ich Deutscher mit dementsprechend geringerem Interesse an österreichischen Themen, aber angesichts der enormen Themenvielfalt halte ich so etwas für bedenklich.

Schlimmer noch, dass einige der Artikel direkt aus PR-Abteilungen mancher Markenartikler kommen. So wird z.B. ein Jubel-Bericht über ein neues Nokia-Handy prominent auf der Homepage beworben.

Irgendwie bekommt man das Gefühl, dass hier zu viel in zu kurzer Zeit gewollt wurde. Feste externe Deadlines für Web-Projekte wie sie hier durch den Österreich-Start gegeben war sind sehr problematisch. In einer solchen Situation dann auch noch scheinbar alles auf ein Mal zu wollen führt dann zu solchen Sites.

Eigentlich schade. Denn der gute Wille scheint vorhanden zu sein. Budget offenbar auch.

Statt eine nicht vorhandene Leserschaft zum Mitmachen zu animieren hätte man vielleicht besser erst diese mit attraktiven Inhalten aufbauen können und sie dann schrittweise zur Partizipation ermuntert.


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