Local Search-Serie: Sind die Inhalte attraktiv genug? (I)
Im derzeitigen Rummel um die neuen Medien und die Wandlung der Verlage zu Medienunternehmen geht fast völlig unter, dass es weniger die Pipelines („Medien“) sind, die das Produkt dieser Unternehmen darstellen sollten, sondern das, was durch diese zum Kunden gelangt, die Inhalte.
Aus diesem Grund soll unsere kleine Serie zur Lokalen Suche für Zeitungsverlage mit der Rolle der Inhalte beginnen.
Im ersten Artikel hatte ich bereits das Feld der Inhalte, die für die lokale Suche relevant sein können etwas differenziert.
Grob kann man strukturierte Inhalte wie z.B. Branchenverzeichnisse und unstrukturierte Inhalte unterscheiden. In ersterem Feld findet man viele alte Bekannte. Viele Sites bieten solche Inhalte bereits an.
Aber wie kann man die derzeitige Situation dieser Angebote bewerten und wie verändert sich deren Bedeutung im Rahmen einer dezidierten Local Search-Strategie?
Branchenverzeichnisse – manchmal lieber Löschen
Für Branchenverzeichnisse wird heute in der Regel eines von drei Modellen angewendet:
a) Kooperationen mit den Großen des Gelbe-Seiten-Marktes
b) White-Label-Verzeichnisse auf Basis der Grunddaten der Deutschen Telekom
c) Verzeichnisse, in die sich Unternehmen aktiv eintragen müssen (zumeist gegen Gebühr)
Im ersten Fall macht man sich die Bekanntheit und erhöhte Datenqualität eines der großen Anbieter von Branchenverzeichnissen zu Nutze. So bietet z.B. das Hamburger Abendblatt seinen Usern die Daten von 11880.com an.
Eine geringere Datenqualität haben hingegen die Rohdaten der Deutschen Telekom. Allerdings sind sie vollständig und relativ günstig, so dass man auch hiermit noch einigermaßen vernünftige Angebote stricken kann (in der Regel mit Kooperationspartnern). Ein Beispiel hierfür ist die Nordwest-Zeitung.
Für den letzten Fall ist der Kölner Stadt-Anzeiger ein Beispiel, der in Kooperation mit Koeln.de ein Branchenverzeichnis betreibt, dessen Situation prototypisch für dieses Modell steht. Die Datenqualität ist so extrem schlecht, dass ein solches Angebot nur als Beschädigung der eigenen Marke gelten kann.
Als Beispiele seien genannt, dass es laut Stadt-Anzeiger 89 Anwälte in Köln gibt, während die Gelben Seiten 1.521 finden – und diese zudem feiner nach Rechtsgebieten aufgliedern. Ganze 35 Apotheken auf ksta.de stehen 285 auf den Gelben Seiten gegenüber.
Während Branchenverzeichnisse prinzipiell ein Angebot darstellen, das von den Usern regelmäßig genutzt wird, dürfte eine solche Datenqualität die User nach einmaliger Nutzung direkt in die Arme der Konkurrenz treiben.
Reiche Inhalte als Chance
Allen Modellen gemein ist, dass sie üblicherweise nur die kargen Rohdaten wie z.B. Firma, Telefonnummern etc. vorhalten. Das ist zwar für viele Anwendungsfälle aus Usersicht ausreichend, bietet den Verlagen aber keine Chancen zur Differenzierung.
Der Mehrwert für die User eines Branchenverzeichnisses auf einer Verlagssite ist bestenfalls äußerst gering. An jeder Ecke im Netz gibt es qualitativ bessere Angebote.
Ein Ausweg aus dieser Situation kann die Bereitstellung von „rich content“ sein. Artikel des eigenen Verlags über Restaurants, Kundenbewertungen (umfassend oder durch Abstimmungen) oder auch von den Firmeninhabern eingestellte Inhalte können dem Nutzer sinnvolle Informationen liefern, die das Angebot gegenüber den klassischen Branchenverzeichnissen aufwerten.
Die Verlage sind im Vergleich zu den meisten Konkurrenten aufgrund ihrer lokalen Nähe in besonders guter Lage, solche Inhalte zu erstellen.
„Besonders gute Lage“ bedeutet jedoch längst nicht „in ausreichend guter Lage“. Das erstmalige Erstellen und kontinuierliche Pflegen solcher „reichen“ Inhalte ist äußerst aufwändig. Negative Beispiele wie GoYello, das die Firmen um Angabe weiterer Informationen bittet und damit bislang katastrophale Ergebnisse einfährt, oder das neu gestartete Qype, welches Kundenkommentare sammelt und damit kaum vom Fleck kommt, zeigen auf, wie mühsam die Bereitstellung solcher Inhalte ist.
Nationale Anbieter als Wettbewerber im lokalen Markt
Erfolgreiche Beispiele in den USA wie z.B. CitySearch oder Yahoo! Local zeigen jedoch, dass dieses Modell prinzipiell funktionieren kann. Hier werden Yellow Page-Daten erfolgreich mit User-Rezensionen, Landkarten und ähnlichem verknüpft und zu einem sinnvollen Angebot zusammengestellt.
Eine der wesentlichen Grundvoraussetzungen für den Erfolg ist aufgrund des hohen damit verbundenen Aufwands, dass die Erstellung eines solchen „reichen“ Verzeichnisses zentraler Bestandteil der Online-Strategie ist. Zu schädlich sind Angebote, in denen die bekannteste Pizzeria der Stadt nur eine einzige Bewertung bekommen hat, diese zwei Jahre alt ist und vom Sohn des Besitzers kommt.
Bislang ist mir nicht bekannt, dass die bekannten Anbieter der Branchenverzeichnisse technische Plattformen zur Erstellung solcher Inhalte anbieten. Die Nutzung der Telekom-Daten, aufbereitet durch einen Dienstleister und mit einer eigenen Plattform für die eigenen „reichen“ Inhalte erscheint hier am sinnvollsten.
Selbst Google, das als Experte im Erfassen und Suchbar-Machen unstrukturierter Inhalte gilt, vertraut für sein lokales Produkt Google Maps auf Yellow Page-Daten. Diese dienen als „Anker“ und stellen die Datenqualität sicher. Unstrukturierte Daten von Websites ergänzen dann diese Daten nur.
Grundsätzlich ist jedoch zu überlegen, ob die eigene Site tatsächlich ein Branchenverzeichnis aufweisen sollte, oder ob es nicht sinnvollere Aktivitäten geben könnte.
Aufgrund des hohen lokalen Bezugs der eigenen Marke, verfügt man als Regionalzeitung zwar über eine gute Ausgangsposition, aber unausgegorene Konzepte können leicht von nationalen Wettbewerbern übertrumpft werden (siehe USA-Beispiele oben).
Nur bei genauer Kenntnis der Entwicklungen im Local Search-Markt, ausreichenden finanziellen und personellen Kapazitäten und professioneller Umsetzung kann es hier zu erfolgreichen Lokal Search-Angeboten kommen.
In so manchem Fall könnte ein Löschen des derzeitigen Branchenverzeichnisses auf der eigenen Site jedoch die Qualität dieser Site erhöhen (Stichworte: Keine Schädigung der eigenen Marke, konzeptionelle Fokussierung und Vermeidung von Creeping Featurism).
Längst bekannt: Rubrikenmärkte
Diese Sinnfrage ist für die meisten Verlagssites hinsichtlich eines anderen Content-Typs, den der Rubrikenmärkte sehr einfach zu beantworten. In den meisten Fällen spielen diese einen zentrale Rolle in der Online-Strategie.
Die Problematik der Online-Rubrikenmärkte wurde in den letzten Jahren hinreichend erörtert, so dass ich mir eine Kurzdiskussion schenke. Es sei nur darauf hingewiesen, dass die unterschiedlichen Rubriken im Rahmen einer Local Search-Strategie sehr unterschiedliches Gewicht haben dürften, da sich der lokale Bezug der Märkte stark unterscheidet.
So ist der Immobilienmarkt ein im höchsten Maße lokaler Markt, während der Kfz-Markt im relativ starken Maße regional, bzw. sogar national und international abgewickelt wird. Zwischen diesen beiden Extremen bewegen sich die Stellen- und Kontaktanzeigen, wenngleich diese eher auf der lokalen Seite anzusiedeln sind.
Weiter geht’s
In den nächsten Artikeln dieser Serie werden die verbliebenen Content-Bereiche wie oben (kurz-)analysiert. Im Laufe der nächsten Wochen kommt es dann noch zu einer Kurzbewertung der Situation der Verlage im Kampf um die lokalen Werbegelder, die Generierung ausreichender Reichweite für die lokalen Inhalte und technische Aspekte. Bleiben Sie dran.
Links:
- Auftakt zur Local Search-Serie
- Randnotiz zur Local Search: Google Co-op kommt
30.10.06
Kommentare
Grundsätzlich Glückwunsch zu ihrer strukturierten Abhandlung des Lokal Marktest, aber zu Qype sei die Anmerkung erlaubt: Auch wenn wir keine Zahlen veröffentlichen, zeigt sogar Alexa, dass Qype massiv wächst.
31.10.06 10:05
Stephan Uhrenbacher
Naaja, Herr Uhrenbacher,
seit Anfang Oktober geht es bergauf. Bei den Page Impressions laut Alexa allerdings nur auf Werte, die schon Monate zuvor erreicht wurden.
Davor gab es laut Alexa nach dem Anfangshype (aufgrund des SpOn-Artikels?) erstmal tendenziell rückläufige Page Impressions.
Dennoch, oder gerade deswegen: Herzlichen Glückwunsch zum Google-Deal. Vielleicht ergibt sich ja mal eine sinnvolle Kooperation mit einem Verlag!?
31.10.06 10:18
Matthias Kretschmer