Videos auf Nachrichtensites: Nachschlag

Roman Mischel hat auf onlinejournalismus.de einen sehr guten Artikel über die Verwendung von Video-Inhalten auf den Sites von Tageszeitungen oder Wochenzeitschriften veröffentlicht.

Die Videos wurden anhand verschiedener Kriterien umfassend analysiert. Einige Aspekte fehlen mir dabei allerdings, so dass ich mir diesen Nachschlag erlauben möchte.

Es geht mir um die Fragen der Einbindung in das Gesamtangebot der Site, das Zusammenspiel von Text und Video und um die Frage, ob längere Nachrichtensendungen mehr sein können als ein Nischenprodukt.

Videos noch als Fremdkörper

Die Einbindung der Videos in das redaktionelle Angebot reflektiert noch stark, wie neu Videos für die Sites sind, wie wenig Ressourcen zur Einbindung der Videos vorhanden sind und wie wenig die Video-Systeme technisch mit der jeweiligen Site verbunden sind.

In der Regel werden die Videos in einem separaten Video- oder Multimedia-Bereich abgelegt und nicht mit korrespondierenden Artikeln, Bildergalerien oder Umfragen kombiniert. Das ist ungefähr so, als würde man in der Zeitung erst alle Texte abdrucken, dann alle Fotos und abschließend alle Infografiken.

Der User muss in solchen Fällen auf der Site von Sektion zu Sektion springen, wenn er sich zu einem Thema umfassend mittels Text und Video informieren möchte.

Diese Video-Sektionen sind entweder wie z.B. bei oe24.at oder SpOn hoch in der Site-Hierarchie aufgehängte Video-Sektionen und/oder optisch auffallender in anderen Bereichen der Seite platziert.

In ersterem Fall erhält man entweder die oben bemängelte starke Trennung inhaltlich zusammen gehöriger Inhalte oder aber, wenn die Videos doch mit Artikeln verknüpft werden, eine redundante Navigationsstruktur.

Aufgrund der Neuartigkeit und evtl. technischer oder organisatorischer Probleme ist es verständlich, dass Videos noch wenig integriert angeboten werden. Auf Dauer sehe ich aber keinen Grund, warum Videos nicht in erster Linie thematisch integriert im redaktionellen Angebot vorgehalten werden sollten.

Der Zugang über Navigationselemente wie z.B. „Video“ dürfte spätestens dann nur noch von zweitrangiger Bedeutung sein.

Oft kein Mehrwert für die Nutzer

Diese thematische Integration kann allerdings zu weiteren Problemen führen. Denn insbesondere dann, wenn die Videos von externen Dienstleistern bezogen werden, können Artikel und zugehörige Videos stark redundant sein.

Ein Beispiel ist dieses Video auf sueddeutsche.de über den verstorbenen turkmenischen Diktator Nisajow, das prinzipiell schön in den Artikel eingebunden wurde. Leider werden im Video gegenüber dem Artikel praktisch keine Neuigkeiten präsentiert. Auch die durch das Video gelieferten Bilder bieten keinen echten Mehrwert.

Hier gibt es zwar die technische bzw. konzeptionelle Integration von Artikel und Video, aber noch nicht die redaktionelle.

Als User muss man sich in diesem Fall – wie in vielen anderen Fällen – die Frage stellen, warum man das Video überhaupt aufrufen soll. Abgesehen von Analphabeten dürften User nur dann einen Mehrwert durch ein Video erhalten, wenn Inhalte mit Hilfe von Bewegtbildern gezeigt werden, die mittels Standbildern oder Infografiken nicht so gut hätten präsentiert werden können.

In allen anderen Fällen, ist das Vorlesen von Text oder das Abfilmen von Standbildern nichts weiter als eine sehr teure, für Leser und Redaktion umständliche und zeitaufwändige Form der Informationsvermittlung.

Dieses gilt insbesondere für ganze Nachrichtensendungen. Für den Büroalltag und damit den wichtigsten Ort des Online-Nachrichtenkonsums dürften fünf- oder längerminütige Nachrichtensendungen sowohl aufgrund ihrer Länge wie auch aufgrund der Tonspur ungeeignet sein.

Zudem sind sie wegen ihrer mangelnden Navigierbarkeit nicht sonderlich online-adäquat. Hier wird die aus dem TV bekannte und dort nicht abänderbare Passivität des Users auf das aktiv genutzte Medium Internet übertragen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass solche langen Nachrichtensendungen über den Stellenwert eines Nischenprodukts hinaus kommen.

Suchmaschinen finden nichts

Durch die angesprochene mangelnde thematische Integration und technische Probleme können die Videos oft auch nicht über die site-interne Suchmaschine gefunden werden.

Wenngleich ich nicht die gleiche hohe Anzahl Sites wie Roman Mischel analysiert habe, so wurden auf den zehn von mir untersuchten Sites nur auf zweien alle Test-Videos gefunden (FAZ.net, stern.de) und auf einer einige (Nürnberger Nachrichten).

Viva lässt grüßen

Der experimentelle Charakter der Nutzung von Videos auf Nachrichtensites ist unübersehbar und wenig verwunderlich. Vieles wird sich als Irrweg herausstellen, anderes florieren und selbstverständlich werden.

Aber irgendwie erinnert die Situation stark an die Anfänge von Viva, über die ausreichend gelacht wurde. Und mittlerweile wurde Viva von demjenigen, der wohl am meisten gelacht hat aufgekauft…

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