Hintergründe zum Launch der Westfälischen Nachrichten
Während andere Verlage im Relaunch-Fieber sind, leisten sich die Westfälischen Nachrichten einen Launch.
Bislang waren die Zeitungen der Region vereint im Portal Westline. In Zukunft geht man online verstärkt eigene Wege und re-aktiviert online die etablierte Print-Marke.
Seit weniger als zwei Wochen ist westfaelische-nachrichten.de jetzt online. Hilmar Riemenschneider, der verantwortliche Online-Projektmanager und Ressortleiter Produktion stand mir Rede und Antwort zum Konzept der Site und dem ersten Nutzerfeedback.
Sie mussten auf keine bestehende Site und das auf dieser gelernte Nutzerverhalten Rücksicht nehmen. Woran haben Sie sich bei der Gestaltung der Site orientiert?
In der Tat war es eine komfortable Voraussetzung, gewissermaßen von vorne zu beginnen. Das macht es aber nicht unbedingt einfacher, weil belastbare Erkenntnisse über "unsere" Nutzer fehlten. Allerdings haben wir auch in der Konzeption von westfaelische-nachrichten.de einige Vorgaben beachten müssen, die sich aus der Struktur unserer Print-Lokalausgaben ergeben. Dazu gehört das lokale Fenster oben auf der Startseite, das im Printprodukt bei unserem Readerscan-Projekt hervorragende Nutzungswerte bekommen hat.
Ich möchte hier vier Punkte hervorheben:
1. Wir wollen ein originäres Gesicht für unsere Marke Westfälische Nachrichten schaffen. Denn aus der Kooperation mit Westline haben wir gelernt, dass die dort generierte Online-Reichweite bei weitem nicht der lokalen und regionalen Reichweite der Tageszeitung entspricht. Die grafische Zeitungsanmutung für diese Inhalte im Netz transportiert etwas von diesem Vertrauensbonus, der Tageszeitungen entgegen gebracht wird.
2. Die Nutzer des neuen Portals sollen sich innerhalb des Online-Angebotes mühelos bewegen und orientieren können. Die grafische Gestaltung erleichtert es, die unterschiedlichen Rubriken und Angebote gut zu unterscheiden. Dazu gehört beispielsweise der Journalbereich, der optisch im Stil eines Magazins daherkommt. Die Usability soll in allen Bereichen möglichst leichtgängig sein und Nutzererwartungen entsprechen.
3. Das inhaltliche Angebot umfasst weit mehr als nur Nachrichten bzw. Zeitungsinhalte. Es soll informieren, Wissenswertes bringen - aber eben auch unterhalten und bei der Freizeitplanung unterstützen. Unser Ziel ist es, einen Überblick über das Münsterland zu schaffen, der die Interessen jüngerer wie auch älterer Nutzer gleichermaßen trifft.
4. Wichtig ist für westfaelische-nachrichten.de der Leitgedanke, dass die Gestaltung eine permanente und ehrgeizige Weiterentwicklung des Portals zulässt. Wir haben noch einiges vor.
Welche Schwerpunkte wollen Sie auf der Site setzen und worin wollen Sie sich von der Konkurrenz unterscheiden?
Das ureigene Geschäft des Medienhauses Aschendorff, das unter der Marke Westfälischen Nachrichten eine traditionsreiche Tageszeitung und jetzt wieder ein eigenes Internet-Portal herausbringt, ist die Reichweite im lokalen Markt. Da sehen wir die Stärke unseres neuen Online-Auftritts, der hier von der hohen Glaubwürdigkeit der Tageszeitung profitiert. Wichtige Lokalnachrichten gehen sofort online und werden bei Bedarf aktualisiert. Die Themen werden in den Redaktionen medienkonvergent geplant und umgesetzt.
Die Inhalte des Portals bergen eine höhere Informationsbandbreite und -dichte als die Tageszeitung. Wir werden die Internet-Plattform deshalb konsequent weiter entwickeln, um unsere Führungsposition im lokalen Markt auszubauen.
Wie wird sich Ihre Site weiterentwickeln?
Wir haben uns in der Planung von westfaelische-nachrichten.de auf eine Startformation festgelegt, die nur der Anfang einer Entwicklung ist. Entsprechend staut es sich etwas in der Pipeline. Wir haben eine Vielzahl von Neuerungen – vom kleinen Feature bis zum kompletten Konzept, die wir jetzt nach und nach umsetzen werden. Dazu gehören beispielsweise lokale Videonachrichten. Selbstverständlich spielt das so genannte Web 2.0 eine wichtige Rolle.
Das Internet ermöglicht es ja, Ideen ohne großen Aufwand am Markt zu testen. Davon wollen wir profitieren.
Zudem werden wir die mit uns in der Zeitungsgruppe Münsterland verbundenen Partnerverlage in das neue Online-Portal integrieren, um hier am Ende gemeinsam das umfassendste Angebot aus der Region und für die Region anbieten zu können.
Abgesehen von Kommentarfunktionen fehlt von Funktionen, die sich mit dem Begriff „Web 2.0“ umschreiben lassen, jede Spur. Folgen Sie diesem Trend oder gehen Sie einen eigenen Weg?
Man kann heute kein neues Internet-Angebot planen, ohne „Web 2.0“-Features zu berücksichtigen. Wie eben kurz erwähnt, werden wir selbstverständlich viele der nächsten Entwicklungspakete der inhaltlichen Einbindung unserer Nutzer widmen. Es geht nicht nur um einen Reaktionskanal sondern auch um Aktionsmöglichkeiten. Dazu bedarf es aus meiner Sicht nicht unbedingt des „Bürger-Reporters“, für spannender halte ich den „user generated content“.
Ihr Verlag beteiligt sich auch an dem Portal Westline. In was für einer Beziehung steht Ihre neue Site zu Westline und wie wird sich diese entwickeln?
Westline ist über viele Jahre das gemeinsame Portal mehrerer Zeitungshäuser im Münsterland bzw. westlichen Westfalen gewesen, darunter die Westfälischen Nachrichten und die Partnerverlage in der Zeitungsgruppe Münsterland. Aus der oben beschriebenen Erkenntnis heraus, dass die Zeitungsmarke für die lokale Reichweite eine entscheidende Bedeutung einnimmt, haben alle bei Westline kooperierenden Medienhäuser vor einem Jahr beschlossen, ihre Online-Strategie auf Zeitungstitel.de – damit übrigens auch wieder im Wettbewerb – auszurichten.
Westline selbst wird sich neu definieren, weil die lokalen Inhalte künftig in den einzelnen Zeitungsportalen stattfinden. Das Portal besitzt jedoch im Sportbereich ein ausgeprägtes Profil. Westline bleibt zugleich Dienstleister und Netzwerk für die beteiligten Verlage.
Haben Sie im Rahmen des Relaunch-Projekts auch Änderungen der redaktionellen Arbeitsweise durchgeführt, um die Site optimal pflegen zu können?
Bereits im Vorfeld haben wir begonnen, die redaktionellen Strukturen zu verändern. In der Mantelredaktion haben wir im Sommer 2006 einen Newsdesk zunächst nur für Print eingerichtet. Das war einerseits eine Konsequenz aus dem Readerscan-Projekt, hatte andererseits aber schon die jetzt alltägliche crossmediale Redaktionsarbeit zum Ziel. Wie ein Thema für Internet und Zeitung aufgearbeitet wird, diskutieren und entscheiden hier Print-Redakteure und ein kleines Online-Team gemeinsam.
Vielleicht sollte man weniger auf die veränderte Arbeitsweise als auf die neue Denkweise blicken. Wichtig ist, dass der größte Teil des Portals aus der Arbeit der rund 140 Lokal- und Mantelredakteure getragen ist. Sie bereiten ihre Informationen für beide Medienkanäle auf. Darauf haben wir alle Redaktionen durch Schulungen und Workshops vorbereitet. Online first ist kein leeres Schlagwort – und auch kein absolutes Motto, sondern für uns als regionales Medienhaus meistens Ergebnis einer alltäglichen und permanenten Nachrichtenbewertung.
Wie ist denn das Leserfeedback? Worin sehen Sie sich bestätigt und wo merken Sie, dass Sie noch nachlegen müssen?
Das Feedback unserer Online-Nutzer ist sehr positiv und bestätigt uns, dass wir mit der Rückbesinnung auf die Zeitungsmarke richtig liegen. Einige haben uns richtig gehend vermisst. Den Nutzwert der Portal-Inhalte bewerten alle User durchweg als sehr hoch. Es liest sich natürlich sehr schön, wenn Abonenten unsere Internetseiten als gelungene Ergänzung zur Tageszeitung bezeichnen. Wir bekommen aber auch Feedback von vielen Nicht-Abonnenten, die sich freuen, endlich ein ihren Bedürfnissen entsprechendes Informationsangebot für Münster und das Münsterland zu haben.
Kritische Anmerkungen treffen das noch nicht implementierte Archiv. Da wir hier im Moment noch eine digitale, bis 1946 zurück reichende Archivlösung aufbauen, muss die Implementierung ins Online-Portal noch etwas warten. Ähnlich müssen wir auf Rückmeldungen zu noch fehlenden "Web 2.0"-Features antworten. Viele Fragen betreffen technische Prozesse, die wir so glattziehen können. Und in einzelnen Bereichen haben wir durch Hinweise gemerkt, wie wir die Nutzerführung verbessern konnten.
Ganz generell merken wir, dass das neue Online-Portal auch mit dem regionalen Rubrikenmarkt offensichtlich willkommene Kommunikationskanäle direkt in die einzelnen Abteilungen öffnet. Aus Redaktionssicht entwickelt sich auch die Zahl der Mails, in denen Leser Themen vorschlagen, sehr positiv. Das Werkzeug wird genutzt, und das freut uns besonders.
02.05.07